Nockenwellen und Stößelbecher - aktueller Stand der Dinge

MadMarx
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Nockenwellen und Stößelbecher - aktueller Stand der Dinge

Beitrag von MadMarx » Mo 29. Nov 2010, 10:25

hi,

als sport-vorstand und rennfahrer war ich auf der motorsport EXPO in köln und habe mich über die technischen neuigkeiten in der welt des motorsports aufklären lassen.

es war sehr interessant die neusten getriebe, fahrwerkskomponenten, usw. mal aus der nähe zu sehen und vorallem mit den herstellern zu sprechen, die allesamt sehr fachkundig auftraten.....

bezogen auf die aktuelle diskussion bezüglich der planen- und gewölbten stößelbecher habe ich bei der auf der EXPO anwesenden fa. KENT-CAMS vorgesprochen und mich etwa 1 stunde intensiv mit einem echten nockenwellen-ingenieur unterhalten.

meine eingangs frage war:
kent stellt plane nockenwellen her ohne aufgeschliffenen konus auf dem nocken. warum werden dann ballige stößelbecher geliefert, die dann schlecht oder garnicht drehen und zu nockenschäden führen?

erst ein irritierter blick des ingenieurs, dann griff er in eine schublade und holte eine nockenwelle hervor und einen stößelbecher.....und antwortete (auf englisch):

hier ist eine nockenwelle und wie sie richtig bemerken sind diese absolut parallel zur schaftachse geschliffen und hier der zugehörige stößel......absolut perfekt plan, ohne wölbung - wo ist nun bitte das problem mit kent cams?

meine antwort:
zu den triumph wellen werden gewölbte stößel geliefert.

der ingenieur:
das darf nicht sein, gewölbte stößel werden auf unseren wellen nicht funktionieren und vermutlich schaden nehmen.

meine antwort:
genau das ist das problem, nockenschäden innerhalb kurzer laufdauer.

der ingeneiur:
dann muß ich mit dem werk rücksprache halten und fragen ob hier falsch gefertige bauteile vertrieben werden, auch wäre es möglich, daß wir die stößel zukaufen und bei uns bisher die annahme vorliegt die stößel wären plan. I'll check!

Aber trotzdem gilt, unsere nockenwellen werden bis auf wenige ausnahmen ohne konus gefertigt, wir sind aber in der lage jeden kundenwunsch umzusetzen.

++++++++++++++++++++++

soweit zur diskussion über stößel und nocken.
zu bemerken ist noch, daß auch newman cams plane nocken herstellt, aber ebenso ballige stößel dazu vertreibt.

nach der ingeneiurmeinung von kent-cams, ist mein weg die stößel zu planen und mit den kent-wellen zu betreiben der richtige weg.

mit motorsportlichen Grüßen

Christian Marx
Vorstand Sport des TR-Register Deutschland e.V
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Uli Paffenholz

Re: Nockenwellen und Stößelbecher - aktueller Stand der Dinge

Beitrag von Uli Paffenholz » Mo 29. Nov 2010, 15:54

Wow, danke für diese wichtige Information, die hier einigen Hobbytunern, aber auch den renommierten Firmen ein wichtiger Hinweis ist. Nun gibt es Klarheit und keine Ausreden mehr! °I°

bruno
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Re: Nockenwellen und Stößelbecher - aktueller Stand der Dinge

Beitrag von bruno » Mo 29. Nov 2010, 18:10

Hallo Christian,
die Bestätigung durch einen Hersteller macht in dieser Diskussion den meißten Sinn. Nur eine plane Auflage von Nocken und Stößeltasse übertragen die enormen Kräfte bei der Ventilöffnung gegen den Federdruck von 60-80kg. Eine ballige Auflage des Stößelbechers würde eine Punktbelastung bedeuten und an dem Punkt würde auch noch der Oelfilm abreißen und eine Beschädigung des Nockens auslösen. In der Folge wird der Nocken abgerieben und die Stößeltasse wird in der gehärteten Druckfläche aufgebrochen.Diese Krankheit ist ansteckend,heißt Metallabrieb wandert im Oel zu den anderen Schmierstellen und richtet weiteren Schaden an. Bevor der Fahrer etwas bemerkt (ein Zylinder wird,sobald der Nocken völlig abgeschliffen ist, nicht mehr mitarbeiten) wird ein kapitaler Motorschaden eintreten. Um so gut wie möglich vorzubeugen,falls man etwas ahnt, sollte man das Oel ablassen und auf Metallabrieb untersuchen. Eine genaue Prüfung (Messen)des Nockenhubs am Ventil (alle Ventile vergleichen) gibt Auskunft über abgenutzte Nocken.
Gruß Bruno

TR6_Java
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Re: Nockenwellen und Stößelbecher - aktueller Stand der Dinge

Beitrag von TR6_Java » Mo 29. Nov 2010, 22:28

Hier noch eine grafische Darstellung und Messergebnisse.

Tassen links haben bisher immer gehalten.

Michael
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Vergleich Stößeltassen Triumph.PNG (128.31 KiB) 8175 mal betrachtet

MadMarx
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Re: Nockenwellen und Stößelbecher - aktueller Stand der Dinge

Beitrag von MadMarx » Mo 29. Nov 2010, 23:21

dummerweise sind aber auch die linken stößelbecher nicht vollständig plan.
sie mögen von den schlechten die besten sein, aber "plan" ist etwas anderes.

grüße
chris
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TR6_Java
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Re: Nockenwellen und Stößelbecher - aktueller Stand der Dinge

Beitrag von TR6_Java » Di 30. Nov 2010, 00:23

Heißt das, dass die linken Tassen nicht halten bzw. die Nocken killt !

Nein ! Weil wir jeden Motor mit diesen Tassen ausstatten und ALLE laufen noch.
Vorrausgesetzt es wurden die korrekten Federn verwendet und der kritische Erstlauf wurde korrekt durchgeführt.
Habe erst kürzlich WIEDER einen Motor zerlegt, bei dem solche Tassen 60.000 km drin waren. Und die Tassen sehen noch perfect aus. Dabei war sogar eine NW verbaut die ziemlich Steile Rampen und einen großen Hub hat. Das bestätigt die Theorie, dass Stösseltassen halten, auch wenn Sie geringfügig konvex sind. Diese geringfügige Konvexität wird während des Einbettungsvorgangs egalisiert.

Die linken Tassen stammen übrigens aus einer anderen Quelle als die rechten Tassen.
Seit ich die Tassen messe, habe ich bis heute noch KEINE gesehen die weniger als 20 µm konvex war. Egal ob TR4 oder TR6. Ich habe Tassen von min. 5 unterschiedlichen Quellen gemessen.

Plan oder ballig, ist eine Beschreibung OHNE Aussagekraft, solange kein Wert vorliegt (µm oder mm). 0 µm gibt es in keiner Fertigung.

Hast du den Ing. von Kent denn auch gefragt, was passiert wenn Tassen verwendet werden die z.B. 20 µm konkav (hohl) sind ? Eine solche Tasse könnte ebenfalls einen Nockenschaden anrichten. Je nach art der Schleifbearbeitung, kann auch eine solche Form entstehen. Sicher nicht bei einem Motoreninstandsetzer der weis was er tut, aber möglicherweise bei Firmen die solche Teile reproduzieren.

Ich gebe dir recht, dass Tassen die z.B. 5 µm ballig sind sicher unkritischer sind als welche mit z.B. 50 µm. Aber sei bitte so nett und spreche von Maßen und nicht nur von Formen, um es wirklich auf den Punkt zu bringen.

Michael

MadMarx
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Re: Nockenwellen und Stößelbecher - aktueller Stand der Dinge

Beitrag von MadMarx » Di 30. Nov 2010, 08:09

hallo michael,

ich habe mit dem ingenieur auch über die stößeltassenherstellung gesprochen. er meint, daß die fertigung von balligen tassen deutlich aufwändiger ist, weil ballige flächen mit einer art schleiftopf hergestellt werden, der geringfügig zur achse des stößels gekippt rotiert. je nach kippung ändert sich die balligkeit.
kent verwendet dieses system nur bei nockenwellen und stößelbechern (konischer nocken mit balligem stößel), bei denen das vom hersteller so vorgegeben wird - in erster linie bei amerikanischen autos.
alle anderen nocken und stößel werden gerade gefertigt, also eine balligkeit von 0µm.

der stößel den ich auf der messe in der hand hatte hatte ca. 4cm durchmesser und als ich 2 stößel aufeinander legte, bzw. einen messschieber als gerade kante auflegte zeigte sich eine perfekt plane fläche.

andererseits ist die englische bezeichnung "dead flat" ein ausdruck für absolut plan.

grüße
chris
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TR6_Java
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Re: Nockenwellen und Stößelbecher - aktueller Stand der Dinge

Beitrag von TR6_Java » Mi 1. Dez 2010, 00:17

Halo Chris,

hast du jemals Tassen gehabt die plan waren (keine nachgeschliffene Tassen) ? Ich meine 0 µm ballig.
Kannst du von deinen NOS Tassen behaupten, dass sie 0 µm ballig sind (gemessen) ?
Gibt es tatsächlich eine Quelle die heute Tassen anbietet die 0 µm ballig sind ?
Wer bietet das an ? Ich würde diese Tassen gerne mal messen.

Warum gibt es Motoren die nicht von Nockenwellenschäden betroffen sind ?
Meiner Meinung nach liegt das ganz einfach daran, dass in solchen Motoren Tassen verbaut sind die entweder plan sind, was ich nicht glaube, oder eben nur geringfügig konvex sind.
Wir verwenden Tassen beim TR6 bis max. 30 µm und beim TR4 bis max. 40 µm.
Beim TR4 etwas mehr, weil sich die Form über einen größeren Durchmesser verteilt.
Alle Motoren die wir mit diesen Tassen aufgebaut haben laufen anstandslos.
Diese Tassen drehten sich auch sofort beim Erstlauf während der Einbettungsphase.

Bei einem TR3 hatten wir mal Tassen verwendet die 70 - 80 µm ballig waren. Die Nockenwelle war innerhalb weniger 100 km platt.
Auch eine TR6 oder Spitfire NW würde eine 70 µm ballige Tasse nicht überleben.

Es wären sicher noch weniger Nockenwellenschäden zu beklagen, wenn nicht so unglaublich starke Federn dazu angeboten werden würden.
Beispiel:
Federn TR6 TT1207 - 72 Kg !
Federn TR4 TT1107 - 102 Kg !
Demnach dürfte die Anzahl an NW-Schäden aufgrund von balligen Tassen statistisch gesehen noch geringer ausfallen, wenn man die Schäden aufgrund von zu harten Federn abzieht.

Grüße
Michael

MadMarx
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Re: Nockenwellen und Stößelbecher - aktueller Stand der Dinge

Beitrag von MadMarx » Mi 1. Dez 2010, 09:31

und damit dreht sich die diskussion wieder im kreis.
anscheinend wird immer tapfer angenommen, firmen wüßten was sie tun?
Ich habe da meine zweifel, besonders bei ersatzteilen aus asien.

USA ist ein anderer fall.....amerikanische motoren sind schon ewig mit balligen stößeln und konischen nocken gefahren....aber amerika und europa sind 2 paar schuhe.
darum sind auch TR nockenwellen aus USA konisch und haben ballige stößel.....alles in ordnung, nix dran zu meckern.

jedenfalls die balligkeit eines stößels läßt sich ja relativ einfach mit einer drehbank nachmessen.
stößel ins futter einspannen, messuhr auf den werkzeugschlitten und mit dem planschlitten an der fläche vorbei fahren, dann sieht man sofort wie sich das verhält. alles über 0,002mm kann man auf einer 0,01 messuhr sehen.

meine geplanten stößel sind wirklich plan.

mir ist es eigentlich vollkommen egal, was weltweit an stößeln hergestellt wird, kent will plane stößel haben, dann werde ich eine kent nocke mit planen stößeln fahren.

ich stelle jedem frei in seinem motor alles mögliche miteinander zu kombinieren, ich kann nur für mich sprechen.

und was die ventilfedern angeht, sicher kann man den federdruck reduzieren, aber in der regel wurde der federdruck vom hersteller mit gewissen sicherheiten gegen überdrehen ausgelegt, also sollte ein TR6 motor 7000rpm drehen können, ohne das die ventile anfangen zu hüpfen.
beim TR3/4 motor sollte er 6000 serienmäßig schaffen können.

geringerer federdruck = geringere mögliche drehzahl.

grüße
chris
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TR6_Java
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Re: Nockenwellen und Stößelbecher - aktueller Stand der Dinge

Beitrag von TR6_Java » Mi 1. Dez 2010, 21:04

Ich würde auch bevorzugt Tassen verwenden die absolut plan sind. Ich sehe das gleich wie du.
Aber ich habe solche Tassen bisher leider noch nie bekommen können.
Jedenfalls scheinen die Hersteller ein Schleifverfahren anzuwenden, das zulässt dass ballige Planflächen entstehen. Ich glaube noch nicht mal dass das von den Herstellern so gewollt ist. Sonst gäbe es ja nicht Tassen von 9 µm bis 75 µm. Es dürfte vielmehr an der Einstellung der Schleifmaschine bzw. des Schleifscheibenverschleiß liegen, dass hier solche Unterschiede vorliegen.
Ich habe versucht herauszufinden, welche Balligkeit noch verstretbar ist und was nicht. Die Ergebnisse zeigen mir, dass es Tassen gibt die nicht nachgeschliffen werden müssen und auch problemlos funktionieren.

Wenn man einen Hersteller dazu bewegen kann sein Schleifverfahren so zu ändern/optimieren, dass eine Balligkeit nicht mehr vorkommt, ist das natürlich prima.
Wenn das nicht geht, und keiner glaubt dass eine geringfügige Balligkeit nicht zu einem NW-Schaden führt, bleibt jedem einzelnen nur noch der Ausweg die Tassen selbst nachschleifen zu lassen.
Kann ja jeder für sich selbst entscheiden.
Jedenfalls verwende ich weiterhin Tassen mit der kleinstmöglichen Balligkeit von denen ich weis dass sie funktionieren.

Gruß
Michael

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